Nicht Anfang und nicht Ende

Der erste Roman des Autors, erschienen 1970 mit dem italienischen Originaltitel "Il fondo di sacco". Eine erste deutsche Ausgabe erschien 1974. Erzählt wird ein Auswandererschicksal aus einem der bitterarmen Bergtäler im Tessin und eine Rückkehrer-Geschichte, zugleich eine große Liebesgeschichte von seltener Behutsamkeit. Gori, der Protagonist des Buches, entflieht 1927 Hunger und Armut des Maggiatals nach Kalifornien und lässt Familie und Freunde, Sprache, Kultur und seine Liebe zu Maddalena (".... wenn sie daherkam, drehten sich die Leute auf der Straße nach ihr um und hörten mitten im Satz zu reden auf. Wenn sie lachte oder sich das Haar zurückstrich, hätte man meinen können, dass kein anderer Mensch jemals auf diese Art gelacht oder die Hand gehoben hätte....") zurück. Nach zwanzig Jahren kehrt er zurück; Maddalena ist tot, der Vater gebrechlich, die Mutter behindert und auch sonst ist in der erträumten Heimat nichts mehr wie es war: einsame Almen, auf denen er die wenigen versteckten romantischen Momente mit Maddalena verbrachte sind neuerdings bevölkert von Sommerfrischlern mit Autos und Kofferradios. Der entwurzelte Bauernsohn ist doppelt heimatlos geworden, er kehrt zurück in eine "Heimat", die nach dem Schlusssatz von Adornos Prinzips Hoffnung "allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war". Mit von unterdrücktem Zorn vibrierender Sprache dekonstruiert der Autor das folkloristische Zerrbild vom Tessin als Sonnenstube der Schweiz. Stattdessen schildert er in sich einbrennenden Bildern ein Leben in Armut und religiös-bigotter Einengung, die Allgegenwärtigkeit des Todes und die Willkür der lebensfeindlichen Natur. Gori - niemals wirklich angekommen im kalifornischen Exil - sehnt sich umso mehr nach einer Heimat, weil er diese verlassen musste, nachdem er diese in zähem Ringen, mit durch die Zähne gepresstem Fluch, akzeptiert hatte. Während er im fernen Kalifornien seine Zugehörigkeit zum Tessin mit sich herumtrug, fühlt er sich nun, zurückgekehrt, als Amerikaner. Und so zieht das Buch seine stärksten und bewegendsten Momente aus den zärtlichen Momenten mit Maddalena, scheuen Begegnungen, immer unter dem strengen Auge von Familie und Kirche, Blicken, Gesten und mehr Neugier als tatsächlich erfüllte Liebe. Gori ging nach Amerika mit der Hoffnung, Maddalena würde ihm nachfolgen und kehrt wieder in ein ihm fremd gewordenes Land - lebensfreundlicher aber nicht mehr seines. Haupthandlungsort ist Cavergno (gehört heute zur Gemeinde Cevio), gelegen liegt am Eingang des Valle Bavona, einem Seitental des Maggiatales, im Kanton Tessin. Im Talboden gibt es zwölf Weiler (Terre), deren Bewohner Terrieri genannt wurden. Die erst nach 1950 gebaute Strasse und die noch heute fehlende Elektrizität haben deren ursprünglichen Charakter mit den traditionellen Steinhäusern und kleinen Kirchen bewahrt.

Handlungsorte

»Man vertraut einer Landschaft wie einem Freund.«
Thomas Hettche

Buchdetails

Handlungsorte
Cavergno, Valle Bavona, Valle Maggia
Buchdaten
Titel: Nicht Anfang und nicht Ende
Untertitel: Roman einer Rückkehr
Kategorie: Roman / Erzählung von 1970
LeserIn: Günter H.
Eingabe: 05.12.2015


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