Der Abituriententag - Die Geschichte einer Jugendschuld
Der Roman spielt in einer Großstadt zwischen den beiden Weltkriegen. Wenngleich der Name der Stadt nicht genannt wird, ist der Handlungsort Prag leicht zu erkennen. Beschrieben ist die barocke Kleinseite jenseits des Flusses, die durch enge Gassen zum Burgbezirk, dem Hradschin und Regierungssitz führt. Das Nicolausgymnasium im Roman ist in der Realität das Realgymnasium in der Prager Altstadt neben der Nicolauskirche, in dem auch Werfel zur Schule gegangen ist. In Prag also hat der dreiundvierzigjährige, aus Wien stammende Untersuchungsrichter Landesgerichtsrat Dr. Ernst Sebastian von Portorosso im Jahr 1927, an dem Tag, an dem ein Klassentreffen ansteht, einen Festgenommenen zu verhören, der verdächtigt wird, die Prostituierte Klementine Feichtinger in deren Wohnung erschossen zu haben. Sebastian ist alleinstehend und bewohnt eine hübsche Wohnung. Eine nach Argentinien ausgewanderte Geliebte hat möglicherweise ein Kind von ihm. Allen Aufforderungen ausweichend, konnte er Beförderungen bisher ausschlagen. Ihm reicht es, als Sohn des ehemaligen obersten Richters der alten Monarchie in die "Schlösser Exösterreichs" eingeladen zu werden. Als der Delinquent zu ihm geführt wird, empfängt er ihn höflich stehend, wie er es immer in diesen Fällen tut. Obwohl Sebastian freundlich mit ihm spricht, ist der Mann eingeschüchtert und beteuert nur zwei-, dreimal seine Unschuld. In der Akte, die der Richter aufgeschlagen hat, steht: "Franz Josef Adler, geboren am 17. April 1884 in Gablonz in Böhmen." Sebastian ist vom selben Jahrgang. An diesem Abend ist er aus Anlass des fünfundzwanzigjährigen Jubiläums seines Abiturs zu einem Klassentreffen eingeladen. Einer seiner Mitschüler hieß Franz Adler. Er ist überzeugt, dass dieser ihm nun als Verdächtiger gegenübersitzt, aber er gibt sich nicht zu erkennen. Von den früheren Schülern, die 1902 ihr Abitur am Nikolausgymnasium machten, kommt nur die Hälfte zum Abituriententag in den Adriakeller. Einige sind bereits gestorben oder im Krieg gefallen, unauffindbar oder haben sich der Einladung entzogen. Sebastian erzählt von seiner Begegnung mit Franz Adler. Der ehemalige Mitschüler werde beschuldigt, eine Prostituierte erschossen zu haben. Burda, ein anwesender ehemaliger Mitschüler, meint, dass Adler in New York sei und ein Genie gewesen sei, worauf Sebastian verneint, denn kein Siebzehnjähriger sei ein Genie. Dann fängt man an, den Gedanken, dass Adler ein Mörder sein könnte, aufzunehmen und empört sich schließlich. Sogar der alte Geschichtslehrer Wojwode, den man hochbetagt eingeladen hat, entsetzt sich über Adler. Als Sebastian nach dem Abituriententreffen zu Hause eintrifft, setzt er sich an seinen Schreibtisch und beginnt, eine Art Lebensbeichte aufzuschreiben. Dem Untersuchungsrichter wird klar, dass er es war, der durch seine jugendlichen Quälereien jenen Häftling so weit gebracht hat, dass dieser zum Mörder wurde. Er quält sich die ganze Nacht hindurch mit dem Gedanken an seine vergessen geglaubte Schuld, schreibt hektisch alles auf und lässt alle Schandtaten seiner Jugend Revue passieren, die Franz Adler letzten Endes dazu trieben, die Stadt zu verlassen.... KLAPPENTEXT: Atmosphärisches und Erfahrungen der eigenen Schulzeit im Roman aufzugreifen und auf diese Weise auch vor sich selbst Rechenschaft abzulegen über sein eigenes Verhalten in dieser Lebensphase, wird nicht selten durch die Begegnung mit alten Freunden angeregt. Franz Werfel traf 1926 mit seinen früheren Klassenkameraden Willy Haas und Ernst Deutsch zusammen - das mag Inspirationsmoment für diese "Geschichte einer Jugendschuld" gewesen sein. Die Erlebnisse von damals im Klassenzimmer, auf dem Tennisplatz, bei Gartenfesten, in Nachtcafés, bei spiritistischen Séancen wurden wach und suchten ihren Ausdruck. Vor allem aber die Auseinandersetzung mit dem Individuum. So entwickelte sich im "Abituriententag" aus Abenteuerlust, Freiheitsdrang und übermütiger Unart zunächst ein Kräftemessen Ernst Sebastians, des Erzählers, mit dem intellektuell frühreifen Klassenbesten Franz Adler; aber Eifersucht mischt sich hinein und Neid und lassen Sebastians und seiner Kamera-den Sich-erproben für den psychisch und physisch immer unterlegenen Adler zu Erniedrigung und Qual werden, um schließlich in ein immer stärker ins Verbrecherische gleitendes Bekämpfen und Verführen zu münden. Ernst Sebastian muss sich jetzt bei einer assoziativen Konfrontation im Bewusstsein seiner Jugendverfehlungen, vor allem seiner Schuld, selbst gestehen: "Meine Aufgabe ist es, mich zu verhören."Handlungsorte
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