Das magische Jahr

Was wäre, wenn die Studentenrevolte von 1968 Erfolg gehabt hätte? Dann wäre sie eine Revolution geworden mit allem Drum und Dran: mit Staatsverfassung, Museum und Revolutionsfeiertag. Diese nahe liegende Idee spielt Rob Alef in diesem witzigen Krimi amüsant, spannend und sehr surrealistisch durch. Die 68er-Epoche wird durch den Kakao gezogen. Ein irrer Plot: Die Vorbereitungen auf den jährlichen Triumphzug, bei dem das »Tegeler Vlies« vom Schöneberger Rathaus zum Historischen Museum getragen wird, um das Kardinalereignis der siegreichen Revolution zu feiern, die Schlacht um ebendieses Vlies, laufen auf Hochtouren. (Rentner, Pensionäre und andere Zeitzeugen von 1968 werden sich über Alefs Umwertung der historischen Werte amüsieren: Mit der »Schlacht am Tegeler Weg« im November 68 setzte sich die Studentenbewegung erstmals gewaltsam gegen die Polizei zur Wehr, zerfiel aber nach diesem »Triumph« in einzelne Grüppchen.) Empfindlich gestört werden die Triumph-Vorbereitungen durch die Ermordung eines Veteranen. Promi Praumann, einst enger Weggefährte des Revolutionsführers Rudi… nein: Richard Dubinski, wird mit einem stumpfen Erinnerungsstück an vergangene Tage der Schädel eingeschlagen. Wer nur einen Funken jenes magischen Geistes von 68 in sich spürt, wird sich einer gewissen klammheimlichen Genugtuung nicht erwehren können. Denn Promi Praumann ist ein echter Revolutionsgewinnler. Als Händler mit den Devotionalien der großen Zeit (Ulrike Meinhofs Zahnstocher, ein Spülschwamm der Kommune 1) ist er steinreich geworden. Der profikalt ausgeführte Mord hat ein doppeltes Motiv. Der Mörder sucht etwas, das er nach dem Sieg der Revolution seinen engsten Freunden anvertraut hat – und er füllt die geschichtliche Rolle des permanenten Revolutionärs, der gegen die Erstarrung die alten Ideale hochhält. Hier, 68, sind es natürlich individualistische – da guckt der Ernst des Satirikers Alef durch die spaßigen Kulissen. Denn die im ÖPNV-Tempo voranschreitenden Ermittlungen der Kripo führen zu etlichen weit bedauernswerteren Leichen sowie zu Demonstrationen auf dem Wannsee und einem Seenotrettungsdienst aus Pinguinen. Schon vergessen? 1967 kam das Beatles-Album Magic Mystery Tour heraus – und Alefs rasanter Krimi deckt auf, wie die Revolution beinahe an den Pilzköpfen gescheitert wäre.

Handlungsorte

»Bücher haben die Macht, einen ganz gewöhnlichen Ort mit der Aura des Besonderen zu umgeben.«
Paul Theroux

Buchdetails

Handlungsorte
Berlin
Buchdaten
Titel: Das magische Jahr
AutorIn: Alef, Rob
Kategorie: Roman / Erzählung von 2013
LeserIn: Günter H.
Eingabe: 14.04.2015


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